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Wer beobachtet mit: AH Virginis
Visuelle Beobachtung eines W-UMa-Systems

Ralf Meyer

AH Virginis (2000.0: δ = 12h14m20s und r = +11°49,2') ist ein Bedeckungsstern des Typs W UMa. Man teilt Bedeckungslichtwechsel phänomenologisch ein in die drei Typen Algol-artig, β-Lyrae-artig und W-UMa-artig. Dabei liefern jeweils die Lichtkurven der prototypischen Sterne β Persei (Algol), β Lyrae und W Ursae Majoris den Namen. Nach photometrischen und spektroskopischen Befunden bilden W-UMa-Sterne eine relativ homogene Kategorie mit vielen gemeinsamen Merkmalen: Man unterstellt zwei kompakte Hauptreihensterne, die mehr oder weniger ähnliche Dimensionen, Leuchtkräfte und Oberflächenhelligkeiten besitzen und rasch um den gemeinsamen Schwerpunkt rotieren. Als Kontaktsysteme füllen beide Sterne ihre Roche'sche Äquipotentialfläche aus. Die Komponenten sind tropfenartig verformt und bilden zusammen eine spindelähnliche Figur. Über die Berührungsstelle tauschen die Pärchen Materie aus. Die Umlaufperioden betragen etwa 0,2 bis 0,8 Tage. Immer dann, wenn von der Erde aus gesehen ein Stern hinter dem anderen steht, kommt es zu einer Lichtschwächung. Diese Lichtschwächung ist eher diskret, weil die Dimensionen und die Oberflächenhelligkeiten der zwei Sterne ähnlich sind. Die Amplitude eines W-UMa-Systems übersteigt selten 0,7mag und beträgt oft nur 0,4mag oder weniger. Von den beiden Lichtschwächungen jeden Umlaufs erklärt man eine zum Hauptminimum und die andere zum Nebenminimum. Diese Zuweisung geschieht wegen der geringen Unterschiede oftmals ziemlich willkürlich.

AH Vir steht in mittlerer Höhe und Ekliptiknähe am Frühjahrshimmel nahe bei γ Leonis. Von Juni bis Oktober ist die Sonne im Weg, einmal pro Monat zieht außerdem der Mond vorbei. Zur Bestimmung eines Minimumszeitpunktes muss man nur ca. 2 Stunden beobachten. Die schnellen und häufigen Lichtwechsel der W-UMa-Systeme kommen der Arbeitsweise der Fachastronomen und der lichtelektrischen Beobachtungstechnik mit Photometern oder CCD-Kameras entgegen. Es gibt zu den helleren und länger bekannten Systemen wie AH Virginis viele hochgenaue Beobachtungen, fachastronomische Bearbeitungen und gut begründete Vorstellungen über die Stern-Eigenschaften. Einige Details des Lichtwechsels wie Asymmetrien, Variationen der Helligkeit außerhalb des Minimums oder Schwankungen des schwachen Lichts durch Reflexionseffekte lösten wissenschaftliche Diskussionen aus. Wie so oft in der Wissenschaft passen empirische Befunde und theoretische Modelle nicht befriedigend zusammen und jede gelöste Frage wirft drei ungelöste auf.

AH Virginis ist ein Objekt für Optiken ab 4". Die Helligkeit schwankt zwischen 9,20m und 9,74m im Haupt- bzw. 9,65m im Nebenminimum. Diese dürftige Amplitude verlangt dem visuellen Beobachter Erfahrung und subtile Beobachtungstechnik ab. Deshalb und wegen der reichlichen apparativen Daten zäumt der visuelle Amateur die Logik seiner Beobachtungen anders auf: Der flotte Lichtwechsel ist gut geeignet, um die Beobachtungstechnik zu optimieren, um die Grenzen der Methode kennen zu lernen, um das sorgfältige Staffeln einer Sequenz zu üben und um mit verschiedenen Sequenzen zu experimentieren. In der beigefügten Aufsuchkarte habe ich die Vergleichssternsequenz "A-B-C" markiert, mit der ich die ebenfalls beigefügte Lichtkurve gewann.

Plötzliche Periodenänderungen sind bei W-UMa-Sternen nichts Ungewöhnliches, auch wenn die Periode von AH Vir schon länger stabil ist. Systematische Abweichungen visueller Daten um mehr als ±30 Minuten können deshalb durchaus real sein, müssen aber mit präzisen, apparativen Methoden kontrolliert werden. Das BAV Vorhersage-Circular 2003 zitiert den Krakauer Katalog SAC69ff. mit folgenden Elementen zur Beobachtungsplanung:

JDMin1 = 2449472,3680 + 0,40752880 * E

Die Formel liefert ein bis zwei mögliche Termine für jede Nacht der Beobachtungssaison, die im BAV Circular verzeichnet sind. Die Aufsuchkarte stammt ebenfalls von der BAV (Bedeckungsveränderliche Standardprogramm). Die BAV hilft bei Beobachtungsfragen und denen zur Auswertung, sammelt, prüft und veröffentlicht visuelle und lichtelektrische Ergebnisse.

Dr.med. Ralf Meyer, Fürnheim 16 91717 Wassertrüdingen, Tel.: 09832-65903


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