Zur Einstiegsseite der BAV Homepage.
Zum Verzeichnis der BAV Rundbriefe

Zur Beobachtung und Auswertung von Cepheiden-Lichtkurven

Werner Braune

Im BAV Rundbrief 3/2005 (S. 167 und 168) finden sich zwei (B-R)-Diagramme der Cepheiden SZ Aql und T Mon aus Ableitungen von Ralf Meyer. Auffällig ist die Streuung der aktuelleren zeitlichen Ergebnisse, die ganz überwiegend aus den visuellen Schätzungen unserer BAV-Beobachter abgeleitet wurden.

Das ist für mich Anlass, hier einige grundsätzliche Fragen der Beobachtung und Auswertung von Veränderlichen anzusprechen, deren Schätzungen reduziert werden müssen, um eine gefaltete Lichtkurve zu erhalten. An einschlägigen Stellen in älteren BAV Rundbriefen und in der BAV-Einführung steht, dass ausreichend viele Einzelschätzungen für eine Normallichtkurve vorhanden sein müssen. Daran und an Anderem hapert es häufiger. Ist das Sammeln schon nicht ganz einfach, kommt noch die umfassende Auswertungsbearbeitung hinzu.

Wenn man die abgeleiteten BAV-Cepheidendaten insgesamt betrachtet und in (B-R)-Diagrammen vergleicht, neigen die Cepheiden-Beobachtungen der BAV zu positiven (B-R)! Woran liegt das?

Zur Erklärung gibt es vier wesentliche Punkte:

1. zu wenige Datenpunkte
2. mangelhafte Dokumentation der entscheidenden Lichtwechselphase im Anstieg
3. mangelhafte Dokumentation weiterer Lichtwechseldetails (Sekundärbuckel, Stufen - auch im Anstieg)
4. fehlerhafte Auswertung.

Schematische Darstellung von Cepheiden-Lichtkurven (Ralf Meyer, 2004)
Alle vier Gründe hängen miteinander zusammen. Wer wenige Punkte hat, dem fehlen diese meistens auch im Anstieg. Wenige Punkte gestatten keine Definition von Sekundärbuckeln. Eine durch wenige Schätzungen bedingte, falsche Auswertung nach den vorhandenen Punkten ergibt den Rest.

Die genannten Fehlerursachen führen leider nicht zu einer vermehrten beidseitigen Streuung um einen wahren Wert, sondern immer zu einer Streuung nach rechts zu späteren Zeiten. Das liegt zumeist daran, dass der häufig steile Anstieg wenig mit Schätzungen belegt ist und die Auswertung sich zwangsläufig hin zum besser belegten, langsamen Abstieg verschiebt.

Die Folge ist eine Verspätung des Maximumszeitpunkts als methodisch bedingtes Kunstprodukt. Solche positiven (B-R)-Werte sind ein allgegenwärtiges Phänomen bei der Auswertung der BAV-Beobachtungen und entwerten die Datensätze. Die Anpassungen der BAV-Ephemeriden durch Ralf Meyer sind z.B. bei T Mon und RT Aur aus diesem Grund inzwischen erkennbar falsch. Durch zu viel Vertrauen in die BAV-Daten kann es zu weiteren Fehlern kommen, so dass in der Zukunft noch Einiges widerlegt werden dürfte.

Wie wäre die Qualität der Ergebnisse zu verbessern?

Zur Beobachtung

Abhilfe 1: Pauschal : Kein Ergebnis mit weniger als rund 100 Punkten insgesamt.
Abhilfe 2: Zwischen dem schwächsten Punkt vor dem Maximum und dem Maximum müssen mindestens vier Punkte im Bereich dazwischen liegen.
Abhilfe 3: Wenn die Punktwolke die eigentlich geforderten weiteren Details nicht zeigt, ist eine Auswertung nicht möglich.
Hier muss der Beobachter entscheiden, ob er die Beobachtung nicht besser abbricht oder mehr Punkte sammelt. Das darf bei Cepheiden längerer Periode und kurzer Sichtbarkeit auch in der nächsten Beobachtungssaison sein.

Zur Auswertung

Abhilfe 4: In den meisten Fällen ist die Lichtkurve sehr asymmetrisch. Hier verwenden wir für die Auswertung zumeist Ausgleichsgeraden und erklären ihren Schnittpunkt zum Maximum. Dabei dürfen die Geraden nur auf Punkten des ungestörten Anstiegs und Abstiegs beruhen. Buckel u.ä. dürfen in die Geraden nicht einbezogen werden. Ausgleichspolynome sind nur in den seltenen Fällen erlaubt, in denen die Lichtkurve rund und nahezu symmetrisch ist.
Normalpunkte sind nur sinnvoll verwendbar, wenn in jedem Phasenzwanzigstel mindestens fünf Datenpunkte vorliegen. Die Mindest-Punktezahl bei idealer Verteilung beträgt demnach die geforderten 100 Beobachtungspunkte.
Meistens sind die Punkte aber nicht gleichmäßig verteilt, sondern an bestimmten Stellen konzentriert. Dann müssen ggf. gezielt noch mehr Punkte gesammelt werden bis die genannte Voraussetzung erfüllt ist und jedes 1/20 der Periode fünf oder mehr Punkte aufweist.
Die elektronisch leicht mögliche Methode der übergreifenden Mittelwerte ist nicht anzuwenden, da diese die zeitliche Folge nach hinten verschiebt!

Gesamteinschätzung

Mir ist bewusst, dass die Beobachtung von Veränderlichen mit zu reduzierenden Schätzungen nicht einfach ist. Die an unterschiedlichen Tagen unter sehr differenzierten Bedingungen erzielten Schätzungen sind nur bei einem Beobachter mit einem recht konstant guten Blick beim Feststellen der Helligkeit einigermaßen homogen. Ob man da gut ist, zeigt sich letztendlich bei der Reduktion der Beobachtungen. Umgekehrt gilt, dass ein Beobachter, um zu erkennen, ob er ein sicheres Auge hat, sich an zu reduzierenden Sternen versuchen sollte. Mein Beobachterauge ist erkennbar nicht doll, wenn ich an meine reduzierten Beobachtungen von ß Lyrae denke. Allerdings ist hier mangels Vergleichssternen ein Helligkeitsunterschied zwischen den zwei zur Benutzung anstehenden Vergleichssternen von etwa einer Größenklasse für die Lage der Helligkeit des Veränderlichen sinnvoll einzuordnen. Das ist bei sonst kaum einem Stern der Fall.

Wenn einem das nicht einigermaßen gut gelingt, bleiben doch noch andere Veränderliche ähnlicher auf Tage verteilter Beobachtungen übrig, wie z.B. Mirasterne und Eruptive mit ihrem starken Helligkeitswechsel.

Halbregelmäßige sollte der angesprochene Beobachter wegen deren geringer Amplitude meiden.

Spezielle Cepheiden des BAV-Programms

Es gibt nur ganz wenige Sterne, die eine Beobachtung länger als eine Saison nicht vertragen und dann ausgewertet werden müssen, wenn es einigermaßen für eine Auswertung reicht: RX Cas, SV Vul, S Vul sind die bekanntesten, der in der BAV beobachteten, langsamen Sterne mit extrem veränderlichen Perioden. Anders ausgedrückt: Hier muss jede klare Nacht zur Schätzung genutzt werden, um in einer Beobachtungssaison möglichst viele Punkte zusammen zu bekommen.

Für die übrigen Cepheiden gilt::

1. Viele Cepheiden haben völlig ungestörte, schnurgerade (B-R)-Diagramme, z.B. die altbekannten BAV-Sterne U Vul, S Sge, X Cyg. Bei denen rührt sich seit 100 Jahren überhaupt nichts und die Sterne geben gute methodische Meßlatten ab: Jegliche Abweichung ist entweder methodisch bedingt (da können wir etwas zu den beschriebenen Fehlern erkennen) oder eine astrophysikalische Sensation.

2. Oder die Perioden ändern sich in einem sehr gemächlichen Tempo. Bei T Mon, Y Oph, T Vul, W Gem und anderen wird es mindestens 20 Jahre dauern, bis die sich ändernde Periode im Rauschen der visuellen Beobachtungsunschärfe schemenhaft sichtbar wird.


Zur Einstiegsseite der BAV Homepage.
Zum Verzeichnis der BAV Rundbriefe