Das visuelle Schätzen der langperiodisch Veränderlichen

 (Miras, Halbregelmäßige, Eruptive, Cepheiden)

Dietmar Bannuscher

Die Beobachtung veränderlicher Sterne ist gar nicht so schwer, wie gemeinhin angenommen wird. Dazu braucht der Sterngucker nur sein Auge (und bei schwächeren Sternen Feldstecher oder Teleskop).

 Der Veränderliche wird "geschätzt", also seine Helligkeit zwischen zwei Vergleichssternen bekannter Helligkeit "gewogen", bzw. zu beiden in ein Verhältnis gesetzt. Aus einer kleinen Rechnung entsteht dann die derzeitige Helligkeit des veränderlichen Sterns (nach Pickering).

 So beginnt der Beobachter mit der Aufsuche und guckt sich in der Nähe des Veränderlichen zwei Vergleichsterne aus. Einer dieser Eichpunkte muß heller, der zweite schwächer als der zu schätzende Stern sein. Zu den langperiodisch veränderlichen Sternen gibt es Karten, in denen die meisten Sterne rund um den Veränderlichen mit Helligkeitsdaten versehen sind. Damit sind schnell die passenden Vergleichssterne nebst Helligkeitswerten gefunden. Eine Karte dieser Art kann der Leser in dem späteren Bericht "W Dra" finden. 

 Nun wird der geneigte Betrachter den betreffenden Stern "wiegen", also schätzen. Und zwar wird er erkennen, daß der Veränderliche ggf. sehr viel schwächer ist als der hellere Vergleichsstern und nur etwas heller als der schwächere, oder umgekehrt. Es kann auch sein, daß er von der Helligkeit her zwischen beide passen würde. Jetzt muß ein Verhältnis gebildet werden, z. B.  6:4 oder 2:8 oder 5:5. Dabei deutet die erste Ziffer immer das Verhältnis zum helleren Vergleichsstern an, die zweite das Verhältnis zum schwächeren. Je höher die Verhältniszahl, desto weiter weg (heller oder schwächer) ist der Veränderliche dann zu dem entsprechenden Vergleichsstern. Mit etwas Übung funktioniert die Methode recht gut, die ersten Versuche könnten mit Delta Cep gemacht werden. Diesen Stern sollte man mit einem Feldstecher anschauen, er wird an wenigen Tagen hintereinander immer andere Helligkeiten zeigen. Aufsuchkarten zu diesem Stern gibt es unter anderem auch im "Himmelsjahr 2002".


Da die Magnitude der Vergleichssterne bekannt ist, kann der Beobachter nun die Helligkeit des Veränderlichen ausrechnen. Er teilt die Helligkeitsdifferenz der Vergleichsterne durch 10 und nimmt dann mit der ersten Verhältniszahl mal. Diesen Helligkeitswert muß er nun zu der Magnitude des helleren Vergleichsterns hinzuzählen. Der resultierende Wert zeigt dann die Helligkeit des Veränderlichen an. Natürlich geht die Rechnung auch auf, wenn mit der Verhältniszahl des schwächeren Vergleichsterns gearbeitet wird, der entsprechende Helligkeitswert muß nur von der Magni-tude dieses Sterns dann abgezogen werden.

Wir zeigen die Rechnung einmal an einem Beispiel:

  • Heller Vergleichsstern XX, Mag. 12.0mag
  • Schwacher Vergleichsstern YY, Mag. 13.0mag
  • Geschätzte Verhältniszahl des Veränderlichen 3:7

(Er ist also näher am hellen Vergleichsstern, etwas schwächer als dies aber deutlich heller als der schwächere Vergleichsstern)


Rechnung:

                 13.0 - 12.0 = 1

                 1 : 10 = 0,1

                 0,1 x 3 = 0,3

                 12.0 + 0,3 = 12.3

                 Helligkeit des Veränderlichen: 12.3 mag

Durch die unterschiedlichen Helligkeiten der Vergleichssterne (0,5mag Unterschied wird empfohlen, ist aber durch die nun mal gegebenen Sternhelligkeiten oft nicht möglich, der Unterschied ist normalerweise größer, auch mal kleiner) entstehen bei dieser Rechnung oftmals Werte mit zwei Stellen hinter dem Komma. Dazu sollte noch gesagt werden, daß die Genauigkeit der visuellen Schätzung bei einem geübten Beobachter durchaus 0,1mag betragen kann, aber auch nicht mehr. Somit ist die zweite Stelle hinter dem Komma rein rechnerisch und man sollte sich angewöhnen, diese dann zu runden. Dem gewünschten Ergebnis, nämlich dem Zeitpunkt des Maximums oder Minimums, schadet es nichts, er wird ja erst im Laufe der Zeit sichtbar. Die erreichte Höhe oder Tiefe gemessen in Magnitude wird dann ebenfalls mit einer Stelle hinter dem Komma genau genug anzugeben sein.